Sinders & Ash

Eine Pennymaker Geschichte (Buch 1)

Mark Sintorella (Sinders) arbeitet fleißig als Putzmann in einem Ferienhotel, während er heimlich Kleider entwirft und hofft, eines Tages auf eine Modeschule gehen zu können. Dann wird sein sorgfältig geplantes Leben durch die Ankunft von Ashton Armitage auf den Kopf gestellt. Ash ist der Sohn des fünftreichsten Mannes von Amerika – und der schönste Mann, den Mark jemals zu Gesicht bekommen hat. Ash muss eine Frau finden, um das Erbe seines Großvaters nicht zu verlieren. Er entscheidet sich für Bitsy Fanderel. Doch Ash ist insgeheim schwul und als er den jungen Mann sieht, der die Asche aus seinem Kamin fegt, fängt Ashs Herz Feuer.

Richtig in Gang gebracht wird die Sache schließlich durch Carstairs Pennymaker, einen Elf von einem Mann, der Mark überredet, sich als junge Frau zu verkleiden und seine eigenen Kreationen vorzuführen, um potenzielle Mode-Investoren zu beeindrucken, die in dem Hotel zu Gast sind. Als die Uhr Mitternacht schlägt, bewerben sich zwei wunderschöne junge Prinzessinnen um Ashs Hand – aber eine von ihnen ist keine Frau. Wird ihr der Schuh passen? Nur Mr Pennymaker weiß, wie dieses Märchen ausgeht.

Format: eBook

Mehr Informationen

Veröffentlicht 30. April 2019
Dreamspinner Press

45,872 Wörter
150 Seiten

Format
eBook (ISBN 978-1-64405-453-6)

Übersetzung von Anna Doe
Übersetzung von Sinders & Ash by Tara Lain

Kaufe das Buch

Format: eBook

Leseprobe

 

DIESE VERDAMMTE Asche! Mark zog die Strickmütze vom Kopf und klopfte damit an sein schmutziges Hosenbein. Er konnte vor lauter Ruß kaum etwas sehen. Nicht, dass man zum Putzen eines Kamins viel sehen musste, und er hatte den Auftrag, jeden einzelnen dieser verdammten Dinger zu putzen. Alles musste perfekt sein für die Ankunft des ‚hübschen Prinzen‘.

Mark wischte mit dem Saum seiner blauen Baumwolljacke über die Gläser seiner Hornbrille. Die Jacke gehörte zu seiner offiziellen Uniform und wurde vom Hotel gewaschen. Aber die Jeans waren seine eigenen und es war die Hölle, sie immer wieder halbwegs sauber zu kriegen. Er trat einen Schritt von dem riesigen Kamin zurück und schaute in den großen Spiegel mit seinem verzierten Rahmen. Jawoll. Er sah aus wie ein schlanker, aber übergroßer Waschbär. Es wäre lustig, wenn …

Die Tür zu dem kleinen Esszimmer wurde einen Spalt weit geöffnet. Er setzte schnell wieder Mütze und Brille auf und ging zurück zu dem großen, gemauerten Kamin, um die rußverschmierten Wände abzuwischen.

„Bernice, Bitsy, kommt rein. Ich will euer Make-up kontrollieren.“ Die Stimme der Frau wurde von einer Reihe anderer Geräusche begleitet, die durch die geöffnete Tür ins Zimmer drangen. Als Mark aus der Hotelküche in das kleine Esszimmer gekommen war, hatte er einen Blick in die Lobby geworfen. Sie war bis zum Anschlag gefüllt mit Schaulustigen und hoffnungsvollen Bewerberinnen, die auf die Ankunft des siegreichen Helden warteten. Was zum Teufel war nur ihre Strategie? Locker und relaxed zu erscheinen, während sie den Sohn des Milliardärs anstarrten wie ein Weltwunder?

Die Tür schloss sich und es wurde wieder stiller. Er putzte weiter, den Blick fest auf die Kaminwände gerichtet. Schwamm hoch, Schwamm runter, abspülen. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Mrs Fanderel und ihre Töchter waren. Die Schwester des Hotelbesitzers zu sein, sicherte ihr eine Sonderstellung. Jedenfalls war sie dieser Meinung.

Ihre nasale Stimme ging ihm fürchterlich auf die Nerven. „Lasst uns zum Fenster gehen, wo das Licht besser ist.“

„Mutter …“ Die tiefere Stimme war Bernice. Hübsch, aber mit einer Tendenz zum Jammern, die Bernice oft missvergnügt aussehen ließ und ihr nicht gut zu Gesicht stand. „Er ist hier.“

Blicke krochen ihm den Rücken hoch wie Ameisen. Er putzte weiter.

„Kümmert euch nicht um ihn, Mädels! Sinders wird uns nicht stören. Lasst mich sehen.“

Mark warf einen Blick nach hinten über den runden Tisch und die Stühle, die in der Zimmermitte standen. Mrs Fanderel hielt Bernice mit einer Hand am Kinn und wischte ihr mit der anderen über die Wangen. Mark schaute nach rechts. Sein Blick traf sich mit Bitsys, die ihm lächelnd zuzwinkerte. Er verkniff sich ein Lächeln. Sie war wirklich hübsch und schien auch recht nett zu sein. Jedenfalls, wenn man sie mit dem Rest der Familie verglich.

Mrs Fanderel winkte ihrer Tochter zu. „In Ordnung, Bernice. Zieh den Lippenstift nach, Darling, dann kannst du gehen. Bitsy, du bist an der Reihe.“

Bernice fuhr mit einem Stift über ihre Lippen. „’ieso issie eindlich da’ei?“ Sie inspizierte ihre Bemühungen und sah dann ihre Mutter fragend an, die gerade Bitsys blonde Locken richtete. „Ich bin die Älteste und habe das erste Recht.“

Ihre Mutter machte unbeirrt weiter. „Wir kennen seinen Typ nicht. Du willst doch nicht, dass er in eine andere Familie einheiratet, oder? Wenn ihm Bitsy gefällt, bekommt er sie.“

Bitsy versuchte, sich dem Griff ihrer Mutter zu entziehen. „Sie hat recht. Sie will ihn. Ich nicht. Und sie ist sowieso hübscher. Ich gehe auf mein Zimmer. Geht ihr zu dem Treffen.“

Ihre Mutter ließ Bitsys Arm nicht los. „Wir reden von der fünftreichsten Familie Amerikas. Ashton soll sehr attraktiv und charmant sein. Und du führst dich auf, als ginge es um deine Hinrichtung.“

„Ich will nicht heiraten, solange ich mein Studium noch nicht abgeschlossen habe. Das weißt du. Und vielleicht selbst danach nicht.“

„Verdammt … Mit seinem Geld könntest du auf dem Mond Musik studieren, wenn du das willst. Du wirst charmant sein und freundlich und wenn er dich aussucht, wirst du ihn heiraten. Ist das klar?“

Bernice warf einen finsteren Blick in Marks Richtung, der sich wieder seiner Arbeit zuwandte. „Mutter, die kleine Zuckerfee hier hört alles mit. Meinst du nicht, wir sollten das woanders diskutieren?“

Mrs Fanderel warf ihm ebenfalls einen kurzen Blick zu. „Wir werden es gar nicht mehr diskutieren. Weil es schon beschlossen ist.“ Sie nickte ihm zu. „Und ich bin mir sicher, dass Sinders euch beiden nur das Beste wünscht. Er gehört schließlich zum Personal hier und seine Zukunft hängt von meinem Wohlwollen ab.“

Er putzte einfach weiter.

„Geh durch die Küche, wenn du hier fertig bist, Sinders. Ich will nicht, dass die Gäste dich so sehen.“

Bitsy lachte. „Selbst komplett rußverschmiert ist er noch hübscher als wir beide.“

Was dachte sie sich nur dabei, so etwas zu sagen?

Er sah aus dem Augenwinkel, wie Mrs Fanderel Bitsy zur Tür schob. „Hast du den Verstand verloren? Er ist ein fremder Junge mit Mütze und obendrein noch homosexuell. Welcher halbwegs normale Mensch würde so was als hübsch bezeichnen?“

Bernice sah ihn noch einmal seltsam an, dann verschwanden die drei Frauen wieder aus dem Zimmer.

Er ließ seinen Schwamm mit einem lauten Platschen in den Putzeimer fallen. Genau, was seine Jeans gebraucht hatten. Nasser Dreck. Sein Herz pochte wie wild und er setzte sich auf den Rand des Kamins. Unglücklicherweise hatte die Frau recht. Seine Zukunft hing von ihr ab. Er wollte diesen Job behalten. Ja, es war ein beschissener Job. Aber die Gäste waren reich und wenn sie betrunken waren, wurden sie manchmal sogar großzügig. Die Zimmermädchen fanden ihn zwar merkwürdig, waren aber froh, dass er die Schmutzarbeit übernahm. Deshalb teilten sie ihre Trinkgelder mit ihm. Außerdem schätzten sie sehr, dass er sie nicht ständig anbaggerte. Und dann gab es noch die Abende, an denen er beim Zimmerservice aushalf und selbst Trinkgelder kassierte.

Bisher hatte er schon tausend Dollar gespart, indem er nur die beiden kostenlosen Mahlzeiten des Hotels aß. In der Stadt wäre ihm das niemals gelungen. Dort waren die Lebenshaltungskosten so hoch, dass er kaum über die Runden kam, viel weniger noch Geld sparen konnte. Und hier, wo er sich mit einer kleinen – Mansarde genannten – Rumpelkammer unterm Dach zufriedengab, hatte er sogar Platz, um an seinen Designs zu arbeiten. Natürlich hatte er neben seiner Arbeit nur wenig Zeit, aber er brauchte nicht viel Schlaf. Er musste sich nur anpassen und durfte nicht mehr auffallen, als er es ohnehin schon tat. Auffallen war schlecht. Wer auffiel, wurde dafür bestraft. Angepisst und verarscht.

Mark stand auf und betrachtete den Kamin. Da war noch ein Schmutzfleck. Er spülte seinen Schwamm in dem trüben Wasser aus.

Die Tür öffnete sich wieder. Er spannte sich an. Waren die Frauen zurückgekommen? Als er den Kopf hob, sah er einen kleinen Mann in einem grünen Dreiteiler durch die Tür stolpern. Grün? Wirklich? „Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?“ Der Mann sah aus, als würde er gleich umkippen.

„Ja, bitte. Darf ich mich setzen?“

Mark eilte auf ihn zu und wischte sich die Hände ab, bevor er die roten Polster anfasste. „Aber sicher, Sir.“ Er zog einen Stuhl unterm Tisch hervor und ging zu dem Mann, um ihm zu helfen. Er hätte sich den kleinen Kerl über die Schulter werfen können, wenn es nötig gewesen wäre. Mark war nicht sonderlich groß – etwa einsachtzig, mehr nicht. Aber der Mann war kaum größer als einsfünfzig und ein echter Dandy – graue Haare, eine rahmenlose Brille, ein schickes, gestreiftes Hemd mit weißen Manschetten und eine leuchtend rote Blume im Knopfloch.

Er half dem Gentleman, sich auf den Stuhl zu setzen.

„Vielen Dank. Dort draußen ist ein fürchterliches Gedränge. Ich wurde hinter einer Mutter mit ihrem Töchter-Trio eingeklemmt und dachte schon, die Parfümwolke würde mich ersticken.“

Mark grinste. „Eine gierige Horde, nicht wahr?“

Der Mann lehnte sich zurück und fächelte sich mit der Hand Luft zu. „Besonders gefällt mir die Zurückhaltung, mit der sie ihm zufällig über den Weg laufen wollen. Alle fünfhundert von ihnen. LOL, wie man so schön sagt.“

Lustig. Das hatte Mark auch gerade gedacht.

Der Mann streckte die Hand aus, die er eben noch als Fächer benutzt hatte. „Carstairs Pennymaker.“

Wirklich? „Äh, Mark Sintorella. Ich sollte Ihnen vielleicht nicht die Hand geben. Ich habe den Kamin gereinigt und bin ziemlich schmutzig.“

„Unsinn, mein Junge. An mir bleibt nichts kleben.“ Er griff nach Marks Hand und schüttelte sie mit beiden Händen. Solche Gesten machten Mark manchmal nervös. Zu unheimlich. Aber bei diesem Mann kam es ihm ganz normal vor, also machte er mit.

„Kann ich Ihnen etwas bringen, Sir? Ein Glas Wasser vielleicht?“

„Nein, nein. Ich fühle mich schon besser, dank deiner freundlichen Hilfe.“

Mark trat zurück. „Dann mache ich mich wieder an die Arbeit.“

„Willst du nicht Zeuge der Großen Ankunft werden, mein Junge?“

„So wie ich aussehe, könnte ich nicht nach draußen gehen.“ Er zeigte auf seine rußverschmierte Jacke. Dann lachte er. „Ich bin sogar davor gewarnt worden.“

„Nun, dieses Problem lässt sich leicht beheben. Das Gesicht waschen, die Jacke ausziehen und … Puff! Schon bist du sauber. Oder wenigstens sauber genug. Was die Warnung angeht, so … Nun, ich bin in diesem Hotel ein sehr gern gesehener Gast. Und ich brauche Hilfe, um auf mein Zimmer zurückzukommen und …“ Er ließ elegant die Hand kreisen und zeigte dann mit dem Finger direkt auf Mark. „Ich habe mich für dich entschieden.“

Mark zeigte hinter sich. „Mein Kamin.“

„Ist sauber genug. Schau nur.“ Die Nachmittagssonne schien auf das Mauerwerk des Kamins. Und er sah verdammt sauber aus.

„Na gut, Sir. Wenn Sie Hilfe brauchen, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.“

„Das ist sehr freundlich von dir. Ich bleibe hier sitzen und erhole mich etwas, während du in die Küche gehst und dich wäschst. Danach sehen wir weiter.“

„Ich könnte Sie auch durch die Küche bringen, dann müssen wir uns nicht durch das Gedränge draußen quälen.“

Der Mann grinste spitzbubenhaft. „Was! Und den ganzen Spaß verpassen?“

Einige Minuten später beugte sich Mark über das Spülbecken der Hotelküche. Die Mittagszeit war vorbei und die Vorbereitungen fürs Dinner hatten schon begonnen. Er wollte sich beeilen und so schnell wie möglich wieder hier raus, bevor …

„Du bist hier nicht in deinem verdammten Badezimmer, Sinders.“

Zu spät. Mark wischte sich das Gesicht ab, setzte die Brille auf und blieb mit dem Rücken zu Richard, dem Hundesohn von Sous-Chef, stehen. Jawoll, so nannten sie ihn. Hinter seinem Rücken.

„Es tut mir leid, Sir. Ein Gast hat mich um meine Hilfe gebeten und dazu muss ich mich erst waschen.“

Mark fühlte den Atem des Kerls im Nacken. Unheimlich. „Ich bin sicher, dass jemand anderes dem Gast genauso gut helfen kann wie du. Du wirst meine Küche jedenfalls nicht als Badezimmer benutzen.“

„Es mag sein, dass ihm auch andere helfen können. Aber er hat mich darum gebeten. Und er wartet.“

Pause. Richards bitterer Atem blies ihm immer noch in den Nacken und Mark wäre fast ein Schauer über den Rücken gelaufen. „Na gut. Verschwinde jetzt. Und lass dich hier nie wieder beim Feinmachen erwischen.“

„Ja. Danke, Chef.“ Mist, der Kerl war wirklich nicht ganz dicht.

Er rannte los. Auf dem Weg zur Küchentür, die in das kleine Esszimmer führte, warf er seine Jacke in einen Wäschekorb. Das kurzärmelige T-Shirt war nichts besonderes, aber er hatte es selbst bemalt, also hatte es wenigstens Stil. Jetzt musste er nur noch Mr Pennymaker heil auf sein Zimmer bringen.

Kurz vor der Tür blieb er kurz stehen und atmete tief durch. Vielleicht war die Große Ankunft ja schon vorbei und sie waren dem Trubel entkommen. Er verspürte kein sonderliches Bedürfnis, die Ankunft von Ashton Armitage zu erleben. Na gut, das war gelogen. Er war fasziniert. So ähnlich, als würde die Ankunft eines Marsmenschen bevorstehen. Mehr hatte Mark nämlich nicht gemeinsam mit einem Mann, der in Reichtum und Luxus lebte. Zum Teufel, Mark hatte monatelang auf der Straße gelebt, nachdem ihn seine Familie vor die Tür gesetzt hatte, weil er nicht zugeben wollte, dass sein Schwulsein nur eine freiwillige – und natürlich falsche – Lebensweise wäre. Seit damals hatte er sich oft entscheiden müssen, ob er von seinem knappen Geld etwas zu essen oder lieber ein hübsches Stück Stoff für ein neues Design kaufen wollte. Meistens gewann der Stoff.

Er zog seine Mütze gerade und ging durch die Schwingtür. Mr Pennymaker saß auf dem Stuhl und schnarchte leise vor sich hin. Mark lächelte. Vielleicht konnte er diesem Abenteuer ja immer noch aus dem Weg gehen. „Entschuldigen Sie, Sir.“

Die grauen Augen öffneten sich sofort. „Alles bereit? Wunderbar. Ich habe ein kurzes Nickerchen gemacht und kann kaum erwarten, dass wir aufbrechen.“

„Vielleicht ist Armitage ja schon eingetroffen.“

„Oh nein. Er würde niemals ohne mich eintreffen.“

„Entschuldigen Sie?“

„Ein Scherz. Aber ich habe das Gefühl, er ist noch nicht eingetroffen. Komm jetzt.“

Der kleine Mann stand auf und ging eilig zu der Tür, die in die Lobby führte. War er nicht vor wenigen Minuten noch fast ohnmächtig geworden? Jetzt musste Mark sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.

Als sie an der Tür ankamen, schaute Pennymaker über die Schulter zurück. „Das ist übrigens ein sehr schönes Hemd. Hast du das gemacht?“

„Äh, ja.“

„Es hat Couture-Qualität.“

Mark konnte es nicht verhindern. Er strahlte über alle Backen. Vier Stunden hatte er an dem Hemd gemalt und es passierte ihm nicht oft, dass jemandem etwas auffiel, auf das er stolz war.

Die Menschenmenge vor der Tür war wie eine warme Wand. Mr Pennymaker schlängelte und schob sich durch die Menschen und zog Mark hinter sich her, bis sie in erster Reihe der Menge standen, die gespannt auf die große Eingangstür starrte. Die Umstehenden warfen Mr Pennymaker böse Blicke zu. Mark hätte sich am liebsten verkrochen. „Entschuldigen Sie, Sir. Es scheint Ihnen besser zu gehen. Kann ich Sie jetzt verlassen und wieder an meine Arbeit zurückgehen?“

„Nein, mein lieber Junge. Ich brauche dich hier, damit du dein wunderschönes T-Shirt vorführen kannst. Außerdem willst du ihn doch sicher auch sehen, oder nicht?“

„Eigentlich nicht, nein.“ Wieso interessierte sich Mr Pennymaker so für das T-Shirt?

Pennymaker neigte den Kopf zur Seite. In seinem grünen Anzug sah er jetzt wie ein kleiner Kobold aus. „Wir wollen uns doch nicht anschwindeln. Auch uns selbst nicht.“ Er grinste.

Nein, verdammt. Mark wollte den Mann nicht sehen …

Es wurde lauter. Die Menschen flüsterten sich zu, einige Rufe waren zu hören.

„Er kommt.“

„Der Wagen ist vorgefahren.“

„Ich sehe ihn!“ Das letzte wurde von einem schrillen Schrei begleitet, der jedem Rockstar zur Ehre gereicht hätte. Jemand stieß Mark von hinten an und eine Frau schlug mit ihrer Handtasche nach Mr Pennymaker. Zum Teufel aber auch. Mark stellte sich schützend an die Seite des kleinen Elfs. Er blockierte die Menschen von der Seite und breitete die Arme aus, um Mr Pennymaker auch den Rücken freizuhalten. Wieder stieß ihn ein großer Mann an. „Passen Sie bitte auf, wohin Sie treten, Sir.“ Der Mann zog eine Grimasse, trat aber einen Schritt zurück.

„Oh mein Gott.“

„Er ist wunderschön.“

„Schau nur.“

Mark versuchte, die drängelnden Menschen – vor allem Frauen – von Mr Pennymaker fernzuhalten, der ihn plötzlich angrinste. Mark lächelte zurück. Der kleine Mann schaute zur Seite und Mark folgte seinem Blick. Und erstarrte.

Ein Teil von ihm wollte die Flucht ergreifen. Er sollte dort nicht hinsehen. Der Anblick wirkte auf ihn wie … wie Medusa. Er erstarrte zu Stein. Er konnte kaum atmen.

Der Mann, der begleitet von einem Leibwächter und einer Frau die Lobby betrat, war nur mit einem Wort zu beschreiben – perfekt. Groß. Nicht so wolkenkratzergroß, dass man sich nicht gleichzeitig küssen und ficken konnte. Genau richtig groß. Schlank, aber mit breiten Schultern. Man hätte ihn fast schlaksig nennen können, aber das hörte sich nach Unbeholfenheit an, und dieser Mann war die reine Anmut. Geschmeidig. Das war es. Wie eine Katze. Braune Haare. Noch so ein unzureichendes Wort – braun. Die hellen, braungrauen Haare reflektierten das Licht und fielen wie ein silberner Vorhang um sein Gesicht. Mark sah, wie Ashton Armitage die Sonnenbrille abnahm und kleine Fältchen in den Augenwinkeln auftauchten, als er einem Mann entgegensah, der angerannt kam, um den berühmten Gast zu begrüßen. Umwerfend.

Der Mann verbeugte sich. „Mr Armitage, darf ich mich vorstellen? Ich bin Alan Macintosh, der Manager dieses Hotels. Wir freuen uns sehr, Sie hier begrüßen zu dürfen.“

Wieder die Fältchen. „Ihr Unternehmen scheint gut zu laufen, Mr Macintosh.“

Oh, diese wunderschöne Stimme. Wie ein Lied. Ein Liebeslied. Ein Liebeslied für Marks Schwanz.

Armitage sah sich in der überfüllten Lobby um. Er musste genau wissen, dass die Menschen hier nur seinetwegen gekommen waren; aber er verhielt sich ganz so, als wäre es vollkommen normal, dass sämtliche Gäste des Hotels sich ausgerechnet jetzt in der Lobby trafen. „Hier ist viel los. Ich bin sicher, ich werde meinen Aufenthalt genießen.“

Mrs Fanderel schob sich durch die Menge. „Mr Armitage, ich bin Beatrice Fanderel, die Schwester von Mr Marcusi, dem dieses Hotel gehört. Er kann heute leider nicht hier sein.“

Mark wusste aus der Gerüchteküche, dass sich Mr Marcusi in seiner Suite versteckte, weil seine Schwester darauf bestanden hatte, an seiner Stelle den Gast zu begrüßen.

Mrs Fanderel hielt die Hand hinter den Rücken und machte eine auffordernde Kreisbewegung. Bernice kam sofort zu ihr gelaufen. „Meine Töchter und ich … Das ist Bernice.“ Das arme Mädchen machte fast einen Hofknicks.

Meine Güte.

Mrs Fanderel sah sich um und warf Bitsy einen ärgerlichen Blick zu. Das hübsche, blonde Mädchen unterdrückte einen Seufzer und kam ebenfalls zu ihrer Mutter, die Mr Armitage anstrahlte. „Und das ist Bitsy.“

Die widerwillige Charmeurin reichte ihm die Hand und Armitage nahm sie mit einem Lächeln, das wohl die meisten Frauen umgeworfen hätte. Gott, diese weißen Zähne machten Mark schwach in den Knien. Bitsy hielt die Stellung.

„Es ist mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Bitsy.“ Oh, diese Stimme.

Sie lächelte zurückhaltend. „Ebenfalls.“ Sie zog ihre Hand zurück.

Mark lobte sie insgeheim. Er wäre bei der Berührung vermutlich in Ohnmacht gefallen.

„Vielen Dank für die freundliche Begrüßung, Mrs Fanderel.“ Armitage wandte sich an den Manager. „Wenn ich jetzt bitte einchecken könnte.“

Der Manager wäre bei der Vorstellung beinahe aus den Latschen gekippt. „Oh nein, Sir. Das ist alles schon erledigt.“ Er zeigte auf den Pagen an seiner Seite. Der kleine Glückspilz. Die Pagen hatten eine Lotterie veranstaltet und er hatte gewonnen. Wäre schön gewesen, auch daran teilnehmen zu können. „Das ist Ricardo. Er wird Sie und Ihre Begleiter zu Ihrer Suite bringen.“

„Vielen Dank, Mr Macintosh.“ Armitage lächelte der Menge noch einmal kurz zu, dann ging sein Blick wie ein Zielsuchgerät nach links.

Blau. Seine Augen waren blau. Hatte Mark sich das eingebildet? Hatte der Blick dieser blauen Augen wirklich für einen Sekundenbruchteil auf ihm verweilt? Ja, sicher. Auf dem verrückten Kerl mit seiner Mütze und der Brille. Marks Herz pochte trotzdem viel zu schnell.

Armitage drehte sich zum Lift um, der ihn in den Teil des Hotels bringen würde, der den VIPs vorbehalten war. In einem Hotel wie diesem war natürlich alles eine Frage des VIP-Levels.

Mr Pennymaker lächelte Mark mit seinen grauen Augen von unten her an. Katze. Kanarienvogel. Ja. Der kleine Kerl hielt sich wohl für sehr clever. Andererseits musste man kein Hellseher sein, um die Erektion zu sehen, die Marks Jeans ausbeulte. Gott, er wollte sich endlich setzen. Er wollte sich nicht nach Ashton Armitage verzehren. Nein, nein und nochmals nein.

Zu spät, zwitscherte der kleine Kanarienvogel in seinem Kopf.

 

 

MANN, FÜHLTE es sich gut an, endlich zu sitzen. Ash ließ den Kopf auf die Sofalehne fallen. Seine Hand tat ihm weh vom Händeschütteln und seine Wangen vom Lächeln. Er lächelte ein letztes Mal und winkte dem Pagen zu, der sie auf die Suite gebracht hatte. „Vielen Dank, Ricardo. Wir werden uns hier bestimmt sehr wohl fühlen.“

Seine Assistentin, Veronica nenn-mich-Ronnie, steckte dem Pagen einige Zwanziger zu und – Bingo! – sie waren allein. Er atmete erleichtert aus und massierte seine Hand.

Ronnie lachte. „War das ein Empfang oder was? Soviel Aufmerksamkeit hast du nicht erregt, nachdem du auf dem Titelbild von People warst.“

Ash schaute auf. „Welches davon?“ Er legte die Beine auf das weiche Sofa und streckte sie aus. „Das kommt von den Heiratsgerüchten. Aber die Suite ist wirklich nett.“

„Ja.“ Sie sah sich in dem großen Wohnzimmer mit seiner traditionellen, aber eleganten Einrichtung um. „Ich dachte erst, du wärst nicht mehr ganz bei Trost, als du dieses Hotel für deine ‚Frauenjagd‘ ausgewählt hast. Aber es sieht aus, als könnte man hier wenigstens gemütlich leiden.“

Er seufzte. „Danke. Da fühle ich mich doch sofort besser.“

Sie kam zum Sofa, schob seine Beine zur Seite und setzte sich. Ihr dürrer Arsch beanspruchte nicht sehr viel Platz. „Du hast die Wahl, Ash.“

Mist. Das war nicht sehr bequem. Er zog die Beine hinter ihrem Hintern hervor und setzte sich auf. „Du meinst, ich könnte auf die Hochzeit verzichten und mein Erbe aufgeben.“

„Du bist klug und begabt. Falls du jemals auf den Gedanken kommen würdest, eine dieser beiden Eigenschaften einzusetzen, könntest du von deinem eigenen Einkommen leben. Du brauchst das Geld deiner Familie nicht.“

Er grinste sie an. „Warum habe ich dich noch mal eingestellt?“

„Damit ich dir die Wahrheit sage, Kumpel.“

„Ich bin aber gern reich.“

„Wirklich? Das hätte ich fast nicht gemerkt.“

Er sah sie an. Sie war auf eine jungenhafte Art hübsch – fass mich falsch an und du überlebst es nicht. Ash bewunderte sie für ihre ehrliche Antwort. Verlass dich auf Ronnie, wenn du die Wahrheit hören willst. Und diese Wahrheit starrte ihm jetzt ins Gesicht. Ja, er war reich. Und er war unglücklich. „Ich wäre wahrscheinlich auch nicht viel glücklicher, wenn ich arm wäre.“

Der Blick ihrer dunklen Augen ließ ihn nicht los. „Aber du könntest wenigstens zur Wahrheit stehen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Die Wahrheit wird sowieso überschätzt.“

„In welcher Welt?“

Ash sprang auf und ging in die kleine, aber gut ausgestattete Küche, wo er den Kühlschrank öffnete. Champagner, Erdbeeren mit Schokolade, eisgekühlter Wodka. „Will jemand einen Drink?“, rief er.

„Es ist noch keine zwei Uhr.“

„Und was ist an dieser Uhrzeit so magisch?“ Er schlug die Kühlschranktür zu und nahm eine Dose Cashewnüsse von der Anrichte. „Verdammtes Plastik.“ Ash riss den Deckel auf und warf sich eine Handvoll Nüsse in den Mund. Sie schmeckten salzig. Okay. Das war es nicht, was er wollte. Er ging zurück ins Wohnzimmer.

Ronnie klopfte neben sich aufs Sofa. „Ash, setz dich hin.“

Sie kannte ihn nur zu gut. Er schlenderte langsam zurück zum Sofa. „Ja.“

„Hör auf, dich noch unglücklicher zu machen. Wenn du diese Farce durchziehen willst, dann tu das. Zieh dich nett an, geh nach unten und lerne die Kandidatinnen kennen.“

„Wie schlimm kann es denn schon sein? Ich habe im Moment schließlich nichts anderes zu tun, oder?“

„Wenn du meinst.“

Eine halbe Stunde später kam er, in eine bequeme Hose und ein Sommerhemd gekleidet, in die Lobby. Sein Leibwächter hielt sich im Hintergrund. Ash hatte ihm aufgetragen, sich nicht bemerkbar zu machen. Wie sollte er eine Frau finden, wenn an seiner Seite jemand mit der Pistole rumfuchtelte?

Er war fünf Schritte aus dem Lift.

„Mr Armitage. Ich bin Lavinda Oscular und das ist meine Tochter Chrissy.“

Er lächelte. Eine Kandidatin. Gut. „Wie geht es Ihnen?“

Eine Hand berührte ihn von hinten an der Schulter. „Hi, Ash. Ich bin Anne Pulkay. Ich wollte dich schon immer kennenlernen …“

„Oh. Hi.“ Zwei war auch nicht schlecht.

„Hi.“

„Hi.“ Doppeltes Kichern. Zwei junge Frauen, so ähnlich, dass sie sich wahrscheinlich selbst verwechselten, drückten sich an seine Seiten.

„Ich bin Mimi.“

„Und ich Lilli. Wollen wir drei spielen?“

Verdammte Scheiße.

„Möchten Sie mit uns speisen?“

Wer war das? Er wirbelte herum.

„Ash, kann ich dich sprechen?“ Er schaute über die Schulter. Zwei weitere Frauen, die aussahen, als wollten sie die Party nicht verpassen, kamen durch die Lobby auf ihn zu.

Es war erschreckend. Er trat einige Schritte zurück und stieß dabei in eine weitere Frau.

Ronnie packte ihn am Ärmel. Wo kam sie so plötzlich her? „Mr Armitage? Sie müssen in Ihrer Suite einen Anruf annehmen“, sagte sie gerade laut genug, um über dem Tohuwabohu gehört zu werden.

Gott sei Dank. Und Ronnie. „Es tut mir leid, meine Damen. Wir sehen uns später.“

Ronnie führte ihn den Weg zurück, den sie gekommen waren. Mach schon, Lift. Die Tür öffnete sich klingelnd. Geschafft. „Die Tür schließen. Schnell.“

Ronnie drückte fünfmal auf den Knopf. Zischend schloss sich die Tür. Er lehnte sich an die Wand der Kabine. „Verdammte Scheiße. Das war unwirklich.“

„Ich bin dir mit dem nächsten Lift gefolgt. Ich dachte mir schon, dass du es allein nicht überlebst, Boss. Jedenfalls nicht mit unbeschadeter Tugend.“ Sie lachte.

Er holte tief Luft. „Okay. Dann also Plan B. Erinnerst du dich an die Frau mit ihren beiden Töchtern, die uns in der Lobby begrüßt hat?“

„Ja. Die Schwester des Besitzers, wenn ich mich recht erinnere.“

„Die Blonde war recht niedlich. Lass uns morgen mit ihnen frühstücken.“

„In Ordnung.“

„Und in der Zwischenzeit verstecke ich mich in meiner Suite.“

Join the Group!

Become a part of HEA, Magic and Beautiful Boys, the Tara Lain Reader Group! Share your love of Tara Lain books with other readers around the world.