Kein Coming Out für Cowboys

Cowboys tun das nicht (Buch 1)

Rand McIntyre begnügt sich mit ausreichender Zufriedenheit. Er liebt seine kleine Ranch in Kalifornien, seine Pferdezucht und den Reitunterricht mit den Kindern, die er vergöttert – für eigene Kinder und einen geliebten Menschen in seinem Leben müsste er sich outen und damit alles, was er sich erarbeitet hat, aufs Spiel setzen. Dann begleitet er trotz seiner Flugangst seine Eltern zu einem Urlaub nach Hana in Hawaii, wo er den dunkelhaarigen, geheimnisvollen Kai Kealoha kennenlernt, einen echten hawaiianischen Cowboy. Rand mag Kais junge Geschwister und lechzt nach Kai, doch der Mann ist stachliger als eine Krötenechse und undurchschaubarer als seine exotische Heimat.

Kai hat sich ein zurückgezogenes Leben aufgebaut, in dem er „seine“ Kinder beschützen kann, und sollte sich zu seinem und ihrem Wohl von dem großen, gut aussehenden Cowboy fernhalten. Nur wie viel Schaden kann ein Haole bei einem kurzen Urlaub schon anrichten? Als jedoch Kais schlimmste Befürchtungen und Rands dunkelste Albträume Wirklichkeit werden, gibt es nicht viel Hoffnung für zwei Cowboys, die sich nicht outen können – oder wollen.

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Veröffentlicht 18. Juli 2017
Dreamspinner Press

63,564 Wörter
184 Seiten

Formate
eBook (ISBN 978-1-63533-973-4)
Taschenbuch (ISBN 978-1-63533-972-7)

Übersetzung von Teresa Simons
Übersetzung von Cowboys Don’t Come Out by Tara Lain

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Leseprobe

RAND WARF eine Baseballmütze auf die Shorts in seiner Reisetasche, bevor er eine Flasche Gleitgel aus dem Nachttisch nahm. Verdammt. Wunschdenken. Er betrachtete den riesigen, pinkfarbenen vibrierenden Dildo, den er in der Nacht zuvor etwa fünfmal benutzt hatte. Die Aussicht auf eine verfickte Woche – oder besser gesagt fickfreie Woche – mit seinen Eltern in ihrem tropischen Traumparadies konnte einen Mann zu Masturbation treiben. Er nahm den Dildo aus der Schublade, um ihn in der Tasche eines Wintermantels im Kleiderschrank zu verstecken. Den musste die Putzfrau absolut nicht sehen. Das Gleitgel warf er jedoch in seine Tasche – nur für den Notfall, falls er sich doch mal einen runterholen wollte.

Er zog ein weiteres langärmliges Hemd mit Druckknöpfen aus dem Schrank. Besaß er irgendetwas, das zu Maui passte? Und wie sollte er zu Maui passen? Die Frage wurde vom Summen seines Handys unterstrichen. Ich komme ja, Mutter. Er griff danach. „Hi, ich bin schon unterwegs. Fast.“

„Setz deinen Hintern in Bewegung, Randall. Wir sind praktisch schon am Flughafen. Wenn wir uns in Kahului für den Flug nach Hana treffen wollen, darfst du dein Flugzeug nicht verpassen.“

„Ich fahre ja gleich. Ich werde da sein. Keine Sorge.“

„Du weißt, wie sehr dein Vater und ich uns darauf freuen, endlich einmal unseren Urlaub mit dir zu verbringen.“

Genau, jetzt kommt die Tour mit der liebenden Mutter. Natürlich war sie eine liebende Mutter. Sonst hätte Rand sich nicht so beeilt, um diesen Flug zu erwischen. Bei seiner Flugangst konnte man daraus wohl schlussfolgern, dass er sie mehr liebte als sein Leben. Wie sehr er sich vor Höhen fürchtete, wusste sie allerdings nicht. Sie wusste vieles nicht. „Wir sehen uns später.“

„Ich kann es kaum erwarten. Küsschen.“

Mit einem letzten Blick in seine Reisetasche zog er den Reißverschluss zu. Was er gepackt hatte, musste reichen. Nachdem er seine Stiefel aus der Ecke des Kleiderschranks geholt hatte, setzte er sich hin, um sie anzuziehen. Irgendwie würde er diesen Familienurlaub überstehen – den ersten, seit er vor sechzehn Jahren als zehnjähriger Junge mit seinen Eltern Walt Disney World besucht hatte. Mann, das war schrecklich gewesen. Obwohl er sich so sehr Ferien als Helfer auf einer Ranch gewünscht hatte, war seine Mutter überzeugt gewesen, dass er Micky und seine Freunde lieben würde. Mütterliche Intuition? Nicht vorhanden. Nach dem Desaster im Mäuseland war er jedes Jahr zu einem Pferdecamp geschickt worden, während seine Eltern ohne ihn Urlaub machten. Diese Sommer hatten seinen weiteren Lebensweg bestimmt – auf positive und negative Weise.

Er schaltete das Schlafzimmerlicht aus und zog die Reisetasche auf ihren Rollen zur Haustür, wo er automatisch seinen Stetson vom Haken nahm und ihn aufsetzte. Ein letzter Blick zurück. Mach’s gut, Haus. Bis später – falls ich das überlebe.

Dann trat er in die kalte Morgenluft hinaus und ließ die Reisetasche auf der Veranda zurück, um zu den Ställen zu eilen. Manolo und Danny waren gerade dabei, die Pferde für die morgendliche Reitstunde zu striegeln.

Der kleine, untersetzte Manolo war hinter dem großen Wallach kaum zu sehen. Über seinen Rücken hinweg warf er Rand einen fröhlichen Blick zu und sagte: „Morgen, Patron.“

Rand beugte sich vor, um dem Naseweis gegen die Schulter zu boxen. „Also, heute Morgen kommt Scot mit seiner Mutter und später die Andersons. Für den Rest der Woche ist nicht viel geplant, also kommt ihr hoffentlich zurecht. Ich habe alle Schüler und ihre Familien vorgewarnt und für diese Woche keine Gäste angenommen. Sie waren ziemlich verständnisvoll, weil Weihnachten ist.“

Danny grinste. Umwerfende Grübchen, strohblondes Haar – und außerdem klug und lange Beine, wie ein Film es einmal ausgedrückt hatte. Der ultimative schnucklige Cowboy. Kevin Costner in „Silverado“ – schlagfertig mit einem unschlagbaren Arsch. Seit er Danny eingestellt hatte, musste Rand ständig daran arbeiten, ihn nur als Freund zu betrachten. Der blonde Mann fütterte Star Sight, den großen Palomino, mit einer Karotte. „Keine Sorge, Kumpel, wir kriegen das hin. Mrs. Anderson wird natürlich ziemlich enttäuscht sein, wenn du nicht hier bist, aber ich bezweifle, dass sie ihren Schatz deshalb vom Unterricht abmeldet.“

„Seid nur nett zu Ricky, ja? Der Junge hat Talent, auch wenn er sehr nervös ist.“

Manolo zwinkerte. „Er ist eher sehr schwul.“

Rand runzelte die Stirn. „Jedenfalls hält er sich für total mies, also geht vorsichtig mit ihm um.“

Manolo nickte. „Entschuldigung, war nicht böse gemeint. Wir kümmern uns gut um ihn.“

„Danke. Euch beiden. Falls ihr Hilfe braucht, ruft Judy oder Beth an. Sie sind ganz wild aufs Helfen.“

Manolo schnaubte belustigt. „Sie sind ganz wild darauf, Dannys Arsch anzustarren. Oder deinen, wenn er gerade anwesend ist.“

„Sie werden diese Woche ohne ihn auskommen müssen.“ Rand verzog das Gesicht. Und jede andere Woche auch.

Danny wischte sich mit dem Arm über das attraktive Gesicht, während er Star zu seiner Box führte. „Hau schon ab, Boss, sonst musst du dir von deiner Mutter einiges anhören.“

Manolo stupste Rand an. „Bevor du dir dann anhören musst, dass du ihr endlich Kinder schuldig bist.“

„Scheiße, stimmt. Eine ganze Woche Gejammer darüber, dass ich eine Familie gründen und für Enkelkinder sorgen soll. Um diesen Urlaub braucht ihr mich wirklich nicht zu beneiden. Ruft mich an, wenn es Probleme gibt. Allerdings soll das Netz nicht besonders gut sein, also werde ich euch für Notfälle die Hotelnummer schicken.“

„Du hoffst doch nur, dass es wirklich einen gibt und du früher zurückkommen kannst.“ Manolo lachte.

„Führ mich nicht in Versuchung.“ Er wandte sich ab, joggte zur Veranda, um die Reisetasche zu holen, und sprang mit ihr in seinen Pick-up. Sein Leben hier war perfekt – zumindest ziemlich. Warum musste er denn nur nach Hawaii fliegen?

Eineinhalb Stunden später hatte er seinen Wagen auf dem Langzeitparkplatz am Flughafen Sacramento abgestellt. Nachdem er ein Stück mit dem Bus gefahren war, unverschämte fünfundzwanzig Dollar für seine Reisetasche bezahlt hatte und beinahe ausgezogen worden war, weil die Nieten seiner Jeans einen Alarm ausgelöst hatten, konnte er sich endlich beim Gate niederlassen und warten, während seine Finger nervös die Riemen seines Handgepäcks verknoteten.

„Gruppe drei bitte einsteigen. Gruppe drei.“

Augenblicklich schlug sein Herz so schnell, dass er beinahe in Ohnmacht fiel. Der Tod machte ihm keine Angst. Doch ein Sturz von etwas Höherem als einem Pferderücken? Ein Albtraum. Dennoch nahm er seinen Hut und stellte sich an. Tu ganz unbesorgt. Du weißt schon, wie du es bei allem anderen auch tust.

Er zwang seinen großen Körper, durch den Gang bis zu seinem Sitz zu gehen, verstaute das Handgepäck im Fach darüber und hob die Finger an die Krempe seines Hutes, um die alte Frau im Sitz neben seinem zu begrüßen, bevor er den Stetson ebenfalls ins Gepäckfach schob. „Ma’am.“ Sie schien um die achtzig Jahre zu sein und hatte wohl früher einsteigen dürfen. Trotz ihres grauen Haars waren ihre Augen allerdings voller Leben und Humor.

Nachdem er Platz genommen hatte, zog er den Sicherheitsgurt so fest, dass er sich beinahe darüber wunderte, keine Beschwerde von seinem Schwanz über mangelnde Blutzufuhr zu hören.

Die alte Frau reichte ihm grinsend die Hand. „Na, da habe ich aber Glück. Ich bin Althea Orwell.“

„Rand. Rand McIntyre.“

Sie unterhielten sich freundlich, während eine Hälfte seines Gehirns damit beschäftigt war, jedem Surren, Klappern und Rattern zu lauschen, als das Flugzeug beladen wurde. Bei den Sicherheitshinweisen nahm er die Karte aus dem Fach am Sitz, um mitzulesen. Mrs. Orwell betrachtete ihn ernst. „Die meisten dieser Hinweise helfen nicht viel. Wenn wir im Wasser landen, haben wir trotz allem kaum eine Chance. Aber es schadet wahrscheinlich nicht, die Ausgänge zu kennen und die Schwimmweste anlegen zu können.“ Ihr Finger folgte den vorgelesenen Anweisungen.

Er holte tief Luft. Fühlte er sich durch ihren ehrlichen Hinweis besser oder schlechter? Seltsamerweise besser. Er nickte.

Als der Motor startete und das Flugzeug abhob, legte sie ihre alte Hand auf seinen angespannten Arm und ließ sie dort liegen. Wie geht es dir dabei, von einer alten Dame getröstet zu werden? Sein Mundwinkel zuckte. Nicht so schlecht wie ohne ihren Trost.

Fünfeinhalb einfach fantastische Stunden später musste er zum fünfzigsten Mal schwer schlucken, als das Flugzeug sich über die Passatwinde auf Kahului zubewegte. Mrs. Orwell besuchte, wie sich mittlerweile herausgestellt hatte, ihre Tochter auf Maui. Glücklicherweise hatte sie seit Beginn des Flugs nicht aufgehört zu reden, weshalb er sich nicht zu sehr auf das Gefühl in seinem Magen konzentrieren konnte. Er hatte von der zerbrochenen Ehe ihrer Tochter mit einem Soldaten gehört, der sie schlecht behandelt hatte, woraufhin sie sich einen weiteren dieser Kämpfertypen gesucht hatte, der zum Glück ein guter Mann zu sein schien und sich um sie und ihre Kinder kümmerte, wenn er sich nicht gerade auf See befand, was im Augenblick der Fall war, weshalb sie ihrer Tochter etwas mit den Kleinen helfen wollte und …

„Sind Sie verheiratet, mein Lieber?“

Er hob ruckartig den Kopf. „Oh, äh, nein, Ma’am.“

„Ein großer, stattlicher Junge wie Sie. Da müssten es doch viele Frauen auf dieses hübsche Gesicht abgesehen haben.“

Er hob eine Hand, um sie an die Krempe seines Hutes zu legen, doch da er diesen nicht trug, berührte er stattdessen seine Stirn. „Vielen herzlichen Dank, Ma’am.“ Seine Cowboymanieren halfen ihm immer aus der Klemme. „Ich habe einfach noch nicht die Richtige gefunden.“

„Wie alt sind Sie?“

„Ähm, sechsundzwanzig.“

„Dann wird es Zeit. Gründen Sie eine Familie und zeugen Sie ein paar Kinder, die Ihnen im Alter Gesellschaft leisten können. Sonst wird es sehr einsam.“

Verdammt, man muss nicht alt sein, um sich einsam zu fühlen. „Ein guter Rat, Ma’am, danke.“ Ein Ruck ging durch das Flugzeug. Er umklammerte die Armlehnen, bis seine Fingerknöchel weiß wurden.

Mrs. Orwell tätschelte ihm den Arm. „Keine Sorge. So ein Ruckeln ist völlig normal. Nichts Ungewöhnliches.“

Er schluckte. „Es hat mich nur überrascht.“ Als er seine Hände, einen Finger nach dem anderen, von der Lehne löste, wackelte und schaukelte das Flugzeug erneut. Eiskalter Instinkt setzte sich durch und er klammerte sich wieder fest. Atme. Es geht nicht! Ein weiteres Mal stand er am Rand dieser verfluchten Klippe und starrte in mehr als genug Nichts, um ihn umzubringen, während die höhnische Stimme die Sekunden bis zu seinem Tod herunterzählte. Drei. Zwei. Eins.

Aber ich dachte … ich dachte …

„Rand, mein Lieber, holen Sie Luft. Alles ist ganz normal. Nicht jedem Menschen gefällt das Fliegen. Halten Sie einfach meine Hand und atmen Sie etwas von dieser grauenhaften umgewälzten Luft ein, die uns mit größerer Wahrscheinlichkeit umbringen wird als ein Absturz.“ Sie drückte seine Hand und er ließ es zu. „Außerdem kann ich nicht jeden Tag mit einem so teuflisch schönen Mann Händchen halten.“ Sie legte einen warmen Finger auf seine Brust, gleich über seinem Herzen. „Entspannen Sie sich genau hier und atmen Sie ein.“

Sehen mir die Leute dabei zu, wie ich mich lächerlich mache? Niemand schien ihn zu beachten. Also konzentrierte er sich auf ihre warme Berührung und weitete seinen Brustkorb. Luft. Gut.

Sie ließ seine Hand los. „Na bitte.“

Er lächelte. „Vielen Dank, Ma’am. Ich hatte als Kind einen, äh, Unfall und seitdem machen mich große Höhen nervös.“ Gott, seine Mutter hätte ihm für dieses „übertriebene Cowboygerede“ einen Klaps verpasst. Aber seine Kunden liebten es eben.

„Wir haben alle unsere Ängste. Dafür muss man sich nicht schämen. Aber ich erzähle nur von mir. Wo werden Sie auf Maui wohnen?“

„Ähm, Hana.“

„Oh, natürlich.“ Sie klopfte ihm auf den Oberschenkel. „Hana Ranch. Das passt perfekt für einen Cowboy wie Sie. Also haben Sie Rinder und Reiten eingeplant?“

„Nein, Ma’am, ich besuche meine Familie. Sie wohnt im Hana Maui Hotel.“

„Ist das aber nett. Zeit mit der Familie verbringen. Ich habe gehört, es soll ein sehr schönes Hotel sein. Da werden Sie bestimmt mehr in der Sonne liegen als auf dem Pferd sitzen.“ Sie kicherte. „Und ich hätte nichts dagegen, zuzusehen.“

„Mrs. Orwell, ich werde ja ganz rot.“

Sie lachte. „Einer der Vorteile an meinem Alter ist, dass man einfach sagen kann, was man möchte.“

„Dann freue ich mich schon drauf“, antwortete er grinsend.

Als das Flugzeug schwankte, ergriff sie seine Hand. Er hielt sie fest in seiner. Nachdem die Turbulenzen nachgelassen hatten, fragte er: „Haben Sie ein Handy?“

„Klar“, antwortete sie. „Wollen Sie mich anrufen, damit ich Sie beim Rückflug begleite?“

„Das klingt schön. Aber nein.“ Sie reichte ihm ihr Handy. „Ich speichere meine Nummer ein. Wenn ich mich irgendwie bei Ihnen revanchieren kann, rufen Sie mich einfach an, in Ordnung?“ Er gab das Handy zurück.

„Nun, es ist nicht schlecht, eine Rettungsleine zu haben.“ Sie hielt seine Hand, bis sie die unruhige Landung in Kahului hinter sich gebracht hatten.

Als er das Flugzeug verließ, unterdrückte er den Drang, den Boden zu küssen, und begnügte sich stattdessen mit einem tiefen Atemzug der feuchten, süß duftenden Luft. Er trug die zwei Taschen, aus denen Mrs. Orwells Handgepäck bestand, während er sie an mit Lametta verzierten Büschen und tropischen Blumen vorbei zur Gepäckausgabe im Freien begleitete.

„Randall.“ Seine Mutter lief eilig durch die dicht gedrängte Menschenmenge. Modebewusst wie immer trug sie eine weiße Leinenhose und eine fließende blaue Seidenbluse. „Es ist so schön, dich zu sehen, Schatz“, sagte sie, während sie die Arme um seinen Nacken schlang. „Hattest du einen guten Flug?“

Über ihren Kopf hinweg warf er einen Blick auf Mrs. Orwell, die ihm zuzwinkerte.

„Ja, den hatte ich. Mom, das ist Mrs. Orwell. Ich habe sie im Flugzeug kennengelernt.“

Seine Mutter reichte ihr anmutig die Hand. „Schön, Sie kennenzulernen, Mrs. Orwell.“ Nun hatte Rands Vater seine Frau eingeholt und sie nahm seine Hand in ihre, als sie ihn vorstellte: „Das ist mein Mann, Elson.“

Mrs. Orwell schüttelte ihm ebenfalls die Hand. „Das ist ein sehr netter Junge, den Sie da haben. Mit ihm habe ich mich im Flugzeug richtig sicher gefühlt.“

Rand musste prusten und hustete, um es zu überspielen, bevor er seinen Vater mit einer Umarmung begrüßte.

„Schön, dich zu sehen, Rand.“

„Gleichfalls, Sir.“

Eine kleine Horde weiblicher Wesen stürzte sich auf Mrs. Orwell, von denen eines ihre gestresst wirkende Tochter zu sein schien.

„Mama.“

„Großmutter.“

Nachdem sich alle vorgestellt hatten, nahmen die Tochter und die zwei ältesten Mädchen Rand die Taschen ab. Mrs. Orwell wandte sich ihm zu, um ihm eine Hand an die Wange zu legen. Er musste sich etwas bücken, damit sie diese erreichen konnte. „Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Urlaub, mein Lieber. Wer weiß, vielleicht finden Sie hier die Liebe fürs Leben, wer sie auch sein mag. Ich hoffe es für Sie.“

„Nicht sehr wahrscheinlich, Ma’am, aber danke.“

„Nun, aber vergessen Sie nicht, dass man am leichtesten jemanden findet, wenn man es ohne bestimmte Vorstellungen über die Person angeht.“

„Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub mit Ihrer Familie.“

Sie lachte. „Ich merke, wenn man mich loswerden will. Passen Sie auf sich auf, Rand. Irgendjemand da draußen wird großes Glück haben, wenn er Sie bekommt.“

Als sie sich mit ihren Enkelkindern am Arm entfernt hatte, sagte seine Mutter: „Eine interessante Frau.“

„Allerdings.“

„Und nicht gerade zurückhaltend mit ihren Ratschlägen.“

Er lächelte. „Allerdings.“

Eine halbe Stunde später wünschte er sich Mrs. Orwell und ihren Rat sehnlichst zurück, als das kleine, sechssitzige Flugzeug nach Hana wild durch die Luft schaukelte. Er hielt den Atem an, biss sich auf die Zunge und starrte aus dem Fenster, damit niemand sein Gesicht sehen konnte, das schneeweiß sein musste – zumindest fühlte er sich kalt wie Eis. Glücklicherweise dauerte der unruhige Flug nur eine halbe Stunde, bevor sie die winzige Landebahn in Hana erreichten. Er musste häufig schlucken, als sie ausstiegen, konnte es jedoch vermeiden, sich zu übergeben. „Ich habe gehört, dass die Straße nach Hana sehr schön ist. Vielleicht sollten wir auf dem Rückweg fahren?“

Seine Mutter nickte. „Eine gute Idee. Wir lassen uns einen Picknickkorb packen und beginnen die Rückreise ruhig und friedlich.“ Gegen ruhig und friedlich hatte er nichts – auch wenn es ihm eher um ruhig und niedrig ging.

Sein Vater tätschelte ihm den Rücken. „Lass uns den Urlaub genießen, bevor wir uns mit der Abreise beschäftigen.“

„Ja, Sir.“

Im kleinen Abfertigungsgebäude kümmerten sie sich um ihr Gepäck und entdeckten bald einen stämmigen hawaiianischen Mann, der ein Schild mit dem Namen McIntyre hochhielt. Auf seinem Hemd war ein Hana-Maui-Logo zu sehen. Als Rands Mutter ihm zuwinkte, näherte er sich. „Hallo, Sie sind die McIntyres?“

„Ja.“

Er zog drei Blumenketten aus violetten Orchideen aus einer Tasche und legte jedem von ihnen eine um den Hals. „Aloha. Willkommen in Hana und beim Hana Maui. Ich bin George.“

Rand lächelte.

„Haben Sie vielleicht mit Kamehameha gerechnet?“ George lachte.

„Genau.“

„Keine Sorge, Freunde. Vor Ihnen steht Noelani Uluwehi, zu Ihren Diensten.“

„Schon besser.“

„Aber nennen Sie mich George. Und jetzt bringe ich Sie zu Ihrer zweiten Heimat.“

George warf ihre Taschen in den Kofferraum eines Kleinwagens, als wären sie mit Federn gefüllt, bevor er seinen Eltern auf den Rücksitz half. Rand ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und schaute aus dem Fenster, während George Richtung Norden fuhr. Vor dem Pazifik im Hintergrund waren grüne Wiesen mit kleinen Gebäuden zu sehen, die sich nicht mit Rands Vorstellung von Blüten, Wasserfällen und dichten Blättern deckten. Hana erstreckte sich vor ihm als sanft geschwungenes Grasland – wie seine Heimat, nur viel grüner und mit wesentlich mehr Bäumen. „Die Bezeichnung Hana Ranch passt.“

„Allerdings, mein Freund. 1946 hat man hier mit vierzehntausend Morgen Land und einer Herde Hereford-Rinder aus Molokai angefangen. Seitdem gab es viele verschiedene Besitzer. Man sieht noch Reste der Ranch, aber sie ist jetzt hauptsächlich ein Hotel.“

Nur eine Viertelstunde später bog George in die Einfahrt zu einem niedrigen Gebäude aus grobem Stein ein, das sich auf der Meerseite gleich neben der Straße befand. Auf einem schlichten Schild stand Travaasa Hana Maui Hotel.

Rand wartete bei seinem Vater, während dieser George ein Trinkgeld gab und dafür sorgte, dass ihr Gepäck dem Hotelpagen übergeben wurde. Auf der anderen Seite, ein kleines Stück von der Straße entfernt, entdeckte Rand ein rustikal wirkendes Holzgebäude. Auch wenn es eindeutig geschlossen war, fand er die Bierwerbung in den Fenstern vielversprechend.

George folgte seinem Blick. „Das ist ein Cowboy-Club, mein Freund. Genau das Richtige für Sie. Allerdings ist er nur am Wochenende geöffnet, also ab morgen Abend.“

„Hawaiianische Cowboys?“

„Ja, die Originale. Paniolo.“

„Ernsthaft?“

„Unsere Cowboykultur kommt direkt von den mexikanischen Vaqueros. Ihr auf dem Festland habt sie erst später bekommen.“ George betrachtete lächelnd das Gebäude. „Es gibt nur noch wenige echte Paniolos, aber in der Bar ist jeder willkommen. Sie ist eine nette Abwechslung zum vornehmeren Restaurant des Hana Maui.“

Rand warf einen letzten Blick auf das stille Gebäude. Wer hätte das gedacht? Während sein Vater noch mit dem Pagen sprach, folgte er seiner Mutter in die Freiluftlobby, wo ein gut aussehender asiatischer Mann mit schwarzer Hose und Hawaiihemd hinter der Theke hervorkam. „Mrs. McIntyre, was für eine Freude, Sie und Mr. McIntyre wiederzusehen.“

„Gleichfalls, Mr. Yamata. Das ist mein Sohn Rand.“

Nachdem Rand ihm die Hand geschüttelt hatte, kümmerte sich seine Mutter ums Einchecken. Als sein Vater wieder zu ihnen gestoßen war, sprang er mit ihnen auf den Gepäckwagen, mit dem sie durch die Hintertür die Lobby verließen. Okay, das ist jetzt aber wirklich Hawaii. Elegante Holzhütten ragten zwischen dichten Bäumen, Büschen und Blumen auf und waren einer großen Rasenfläche zugewandt, die bis zu einem Steilhang über dem Meer reichte. Den Rasen zierte ein Pool.

„Kein Strand?“ Er warf seiner Mutter einen fragenden Blick zu.

Sie schüttelte den Kopf. „Zum Strand ist es ein kurzer Weg zu Fuß oder ein noch kürzerer Weg mit dem Auto. Er hat schwarzen Sand. Du wirst ihn lieben.“

Der Page sah sich zu ihm um. „Wenn Sie gleich hier zum Strand wollen, müssen Sie erst Ihre Kleidung loswerden.“ Er lachte und Rands Mutter stimmte ein.

Grinsend erklärte sie: „Es gibt einen Nacktbadestrand – eine hübsche kleine Bucht mit rotem Sand – gleich am Fuß dieses Hügels. Du musst dich nicht unbedingt ausziehen, aber du musst damit zurechtkommen, dass alle anderen es tun. Ich persönlich bevorzuge ein gutes Fischsandwich am Hotelstrand, und zwar mit meinem Badeanzug.“

Der Page lenkte den Wagen zu einer wunderschönen Hütte nicht weit vom Hang mit atemberaubender Aussicht. „Mr. und Mrs. McIntyre, da diese Hütte den besten Blick hat, wollte Mr. Yamata sie Ihnen geben. Für drei Personen ist sie allerdings nicht groß genug. Mr. Rand müsste diese nehmen.“ Er deutete auf ein kleineres Gebäude halb hinter der großen Hütte. „Falls Sie gemeinsam untergebracht werden möchten, steht auf der anderen Seite noch eine Familienhütte mit zwei Schlafzimmern zur Verfügung.“

Rand hielt den Atem an. Seine Mutter wandte sich an seinen Vater. „Was meinst du, Liebling?“

Sein Vater zuckte mit den Schultern. „Rand ist ein großer Junge. Er freut sich sicher, wenn er etwas Privatsphäre hat. Außerdem lässt sich dieser Ausblick nur schwer überbieten.“

Seine Mutter nickte. „Dann machen wir es so.“

Rand atmete langsam aus, während der Page das Gepäck seiner Eltern ablud, und ging zum Hang hinüber, um einen Blick auf den ruhelosen Ozean zu werfen. Eine Cowboybar und ein Nacktbadestrand – Hana sah immer besser aus.

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